Ein Jahr
Das Töpfern ist ein Prozess für Mensch und Material: Weiches wird geformt, härtet aus, wird durch Wärme stabilisiert und abschließend geschmückt – und trotzdem kann ein donnernder Schlag alles zerstören!
 
Diese 365 Objekte visualisieren ein gedachtes Jahr, eine regelmäßig wiederkehrende Einheit, die mit einem Fest wie Geburtstag oder Silvester gefeiert wird. Die Feier meines Jahres ist diese Installation: jedes der Objekte ist ganz individuell und trotzdem ist das Schönste ihre große Zahl. Die Freude liegt gleichermaßen in der Betrachtung einzelner Anordnungen wie auch im Verfolgen einer Anhäufung, die einem Bach gleich in den Raum fließt. Wir sehen das Leben und die Arbeit eines Jahres – meine Spuren dauerhaft in den Ton gedrückt. Liebevolle Hinwendung zum Kleinen, sorgendes Anordnen zum Ganzen – der sorgsame Umgang mit den Tonarbeiten ist eine der Voraussetzungen für eine Installation nach meinen Vorstellungen.
 
Wir sehen vier verschiedene Einzelformen:
 
Schälchen, innen voller Glanz. Die zutiefst menschliche Geste der gewölbten Hand wird keramisch gespiegelt: geben und empfangen – beides ist möglich und lebensnotwendig. Das Glasieren erfolgte mit jeweils einer bestimmten Menge an Flüssigkeit – nichts wurde hinzugefügt, nichts wieder ausgegossen.
 
Die hügeligen Elemente schützen und bergen das, was diesen Schutz benötigt. Unter einer umgestülpten Schale kann ein Geheimnis ruhen, ein Gedanke, der dort auf seinen Empfänger wartet. Zur Farbgebung wurden pulvrige Metalloxide in die körnige Oberfläche einmassiert – bis die Hände warm und rot durchblutet waren.
 
Die flächigen Formen wurden sowohl mit Metalloxiden wie auch mit Glasur behandelt. Sie enthalten alle mindestens einen Durchbruch, um auf das „Dahinter“ zu verweisen. Zwischen Daumen und Zeigefinger entstanden geschwungene Grate, durch die ich noch stärker als bei den anderen drei Elementen meine ganz eigenen Spuren hinterlassen habe.
 
Als heiterster Bestandteil stehen die Zipfelformen zwischen ihren Geschwistern. Sie blicken in die Höhe, keck, beweglich und jedes mit einem Glanzpunkt gekrönt.
 
Es ist wichtig, dass jeweils aus einer bestimmten Masse Ton das an dünnwandiger Form herausgeholt wurde, was in ihr steckte. Die Stärke der Wandung der Daumenschälchen wurde von der Dicke der Schamottestückchen bestimmt. Sie wurden – fast ohne auf sie zu schauen - zwischen den Fingern gedrückt: eine ordnende und daher sehr befriedigende Tätigkeit! Die immer gleich formende Geste formt zugleich Ton, Geist und Seele: während die Zeit vergeht, entstehen Schalen wie Gedanken. Mit dem Anordnen der Schamotte im Ton ordnen sich gleichsam die Dinge des Tages. Die Augen blicken nach innen, da die Hände um vieles genauer schauen können, der Geist schweift, sortiert und bedenkt – und jedes Schälchen nimmt etwas von dieser geistigen Ordnung in sich auf.
 
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Installation so zu gestalten, dass sie den im Augenblick jeweils wichtigsten Aspekt betont: geordnet in einer Rasterstruktur ausgelegt, nach Farben oder Größen sortiert, angehäuft zu einem Berg oder auf – und ineinander gestapelt. Dabei können Figurinen entstehen, die stolz, beschädigt, trutzig oder haltsuchend menschliche Eigenschaften spiegeln.
 
Wir sehen, was wir suchen!
 
Ursula Dambrowski
Juli 2009
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